Heute beginnt der Rest meines Lebens

Trennung verringert mittelmäßige Leidenschaften und vergrößert starke, wie der Wind Kerzen auslöscht und Glut entfacht.
François VI. Duc de La Rochefoucauld

Ihr alle kennt das. Da ist man eigentlich gut gelaunt und von der Grundhaltung als Mensch positiv eingestellt, selbst vor dem ersten Kaffee, da kommt irgendjemand und verbreitet mi-mi-mi oder jammert über irgendwelche Dinge, die dieser Mensch nicht ändern kann.

Zu diesen Menschen gehöre ich auch. Und zwar zu beiden Arten. Tobias Beck, ein hervorragender Redner, nennt diese Menschen, die immer nur negatives posten, schreiben, reden oder deren Leben sich nur um Dinge dreht, die für mich und die Welt belanglos sind: „Bewohner“. Menschen, die nur meckern und über Gott und die Welt jammern, bringen nicht vorwärts. Diese Menschen nicht, und mich selbst auch nicht.

Heute Morgen hatte ich Erlebnisse mit diesen „Bewohnern“. Niemals empfand ich das so deutlich, wie heute.

Im Bus bekundet mir der Fahrer, dass er endlich seinen festen Vertrag hat und nun glücklich ist, dass er auch mal wieder mit seiner Familie Urlaub machen kann. Ich sah ihm den Stolz darüber richtig an. Ich freue mich wirklich für ihn, denn er hat sehr viel dafür getan, dass er diese feste Anstellung bekommt. Er war in der Vergangenheit immer freundlich. Er hat für jeden Fahrgast ein freundliches „Guten Morgen“ und er wünscht mir jeden Freitag ein schönes Wochenende beim Aussteigen.

Ich komme im Büro an, es ist Montag, Kaffeemaschine läuft, Blumen sind gegossen. Grundhaltung: Schauen wir mal, was da heute kommt. Eine Präsentation muss geändert werden, ich will versuchen, besser zu präsentieren und möchte meine Art, Menschen einfach und leicht ein schweres Thema zu vermitteln, optimieren. Ziel: Bessere Darstellung des Themas, des Mediums Powerpoint und nicht zuletzt von mir selbst.

Da kommt jemand in mein Büro: „Moin! Es kann doch nicht sein, dass seit 3 Wochen die [technn. Gerät] defekt ist. Wir können ja nicht mehr richtig [Tätigkeit].“
Ich überlege kurz, frage dann: „Wann hast Du das denn gemeldet?“
Antwort: „Ich gar nicht, das ist schon lange so, das ist ja auch bekannt!“
„Mir nicht, deshalb die Frage: Wann wurde der Fehler gemeldet?“
„Weiß ich doch nicht, aber das behindert uns massiv!“


Früher hätte ich jetzt den Hörer genommen, hätte die Abteilung angerufen und hätte es geklärt. Ich hätte geschaut, wer genau wann davon wusste und eruiert, warum die Vorgesetzten dieses Menschen nicht reagiert haben. Oder wo genau es hakt. Heute nicht. Ich reagiere anders:
„Dann ruf Deinen Vorgesetzten an und melde das selbst.“
„Nein, das kann ich nicht, weil ich ja nicht weiß wie lange es defekt ist!“
„Also soll ich jetzt DEINE Arbeit erledigen?“
„Nein, aber ich weiß ja gar nicht, wen ich anrufen soll!“
„Du kennst Deinen Vorgesetzten nicht? Der ist zuständig für die Technik, so ist es im Unternehmen geregelt und so wird es auch umgesetzt!“
„Ja dann mache ich das jetzt“


Wenn mein Rechner defekt ist, meine Maus oder die Tastatur, dann warte ich doch nicht Wochen, bis das wieder geht?! Handauflegen und aktives Warten bei völliger Untätigkeit wird nicht für neues Arbeitsgerät sorgen. Gut, soweit ok. Ich mache weiter, meine Baustelle ist es nicht.
„Bewohner“ Nummer Eins sorgte dafür, dass mein Puls anstieg und sich mir die Frage aufdrängte: Jammern, dass etwas 3 Wochen defekt ist ohne selbst versucht zu haben die Situation zu ändern.

Großes Kino.

Dann treffe ich einen ehemaligen Kollegen. Wir kennen uns seit einigen Jahren, sehen uns nur sporadisch mal. Ich hatte ihn immer bewundert, wie er locker und einfach durch sein Leben ging. Er schien immer unantastbar zu sein, denn er versprühte immer Lebensfreude. Wir unterhielten uns einige Minuten und ich merkte, dass von dieser Lebensfreude nichts mehr da ist. Jammert nur rum, über Politik, über die Verkehrssituation zu Hause, darüber, dass sein Parkplatz am Arbeitsplatz so weit weg ist… 

20 Minuten redet er darüber, dass es alles schlecht ist. Auf meine Frage warum er so unzufrieden sei, sagte er: „Ich bin nicht unzufrieden. Aber diese Dinge stören mich.“ Über seine Frau, seine tollen Kinder oder ähnliches höre ich nix. Er scheint leider zu einem „Bewohner“ geworden zu sein. Mein „Bewohner“ Nummer Zwei.

Ich merke nicht das erste Mal, dass mir das nicht gut tut. Ich fühle mich schlechter als vorher.
Dann heute Mittag im Restaurant treffe ich einen Abteilungsleiter des Mutterunternehmens. 

Er begrüßt mich mit den Worten: „So eine Schxxxe wieder, oder? Kommt man zwei Minuten später als sonst, steht man gleich stundenlang im Restaurant an!“
Ich überlege und sage nichts. Er redet weiter: „Freitag war das anders, da war ich ganz früh da. Aber hatten die nicht mal ein Dessert fertig.“
Ich: „Es gibt sicherlich schlimmeres!“ (ein großer Fehler)
Er beginnt mit einer Rede, was alles in seinen Augen wirklich, tatsächlich und wahrhaftig schlimmer ist. Irgendwann sage ich zu ihm:
„Die Kleinigkeiten des Lebens haben mich nie sonderlich tangiert.“
…drehe mich um, will mein Tablett wieder wegbringen und er sagt:
„Wolltest Du nicht essen?“
„Nein. Ich war nur hier, damit Du Deinen Frust loswerden kannst!“

Das war „Bewohner“ Nummer Drei.

Und ich habe wieder gemerkt, dass es mir schwer fällt, wieder mit der positiven Einstellung von heute Morgen weiterzuarbeiten. Ich habe einige Zeit darüber nachgedacht. Streng genommen auch nicht erst seit heute, das war wohl nur der Trigger, den es erforderte es zu verinnerlichen.
Vera F. Birkenbihl (Management- und Lebenstrainerin) hat mal in einem Vortrag plastisch dargestellt, wie unser Gehirn mit Spiegelneuronen arbeitet und nennt ein Beispiel: Du hast einen neuen Kollegen, mit dem arbeitest Du ständig zusammen. Er benutzt immer das Wort: „Oberaffengeil!“ (ja, war in den 90ern). Das nervt Dich ohne Ende. Wenn Du jetzt nicht aufpasst, wirst Du Dich erwischen, wie Du das selbst nach einigen Wochen verwendest. Warum? Weil unser Gehirn dafür sorgt, dass wir uns anpassen; wir werden wie die Menschen in unserer Umgebung. Unser Gehirn sorgt dafür, dass wir das, womit wir uns regelmäßig umgeben, uns beeinflusst, verändert. Gehirnforscher wissen das schon seit vielen Jahren. In der breiten Masse scheint das nicht so gegenwärtig zu sein. Und Menschen lernen durch Imitation recht gut, soviel ist ja bekannt.
Goethe sagte: „Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.“ Und das ist eigentlich schon auf den Punkt gebracht.

Ich arbeite viel und gerne mit Menschen zusammen. Mit vielen verschiedenen Menschen, mit sehr vielen, die auch eine sehr positive und offene Lebenseinstellung haben, die mit sich selbst vorankommen wollen. Menschen, die sich selbst kritisch sehen, aber permanent etwas von einer positiven Haltung zeigen und Neugierde versprühen.

„Bewohner“ hingegen bringen mich nicht weiter. „Bewohner“ sind die Frösche im Teich. Sie sitzen rum und quaken. Ich selbst bin manchmal auch Frosch. Aber ich habe lange Zeit eine sehr positive Einstellung gehabt, habe Menschen gerne und viel geholfen. War für meine (damals) vielen Freunde immer da. Heute ist das anders. Irgendetwas hat mich verändert, das wird vielleicht mal ein anderes Kapitel sein.

Schon in den letzten Wochen habe ich sehr intensiv darüber nachgedacht. Ich habe zu dem Thema viel gelesen, viel gehört und viel gesehen. Es gibt viele Faktoren, die dazu führten, dass ich weniger motiviert war und immer öfter dieser Frosch war.

Beeindruckt und inspiriert haben mich Vorträge von Thaddaeus KoromaSteve Kroeger und vielen mehr.

Ein weiterer Faktor bei mir sind Nachrichten. Irgendwann habe ich mal darüber nachgedacht, was mir diese „Nachrichten“ eigentlich sagen. Man sieht Trümmer, man sieht brennende Autos, man bekommt eine Information dazu. Das ist wichtig. Man muss informiert sein, damit man mitreden kann eine Meinung haben kann.

Wenn man aber mal genau darüber nachdenkt,… was wird denn in den „Nachrichten“ (die ja nicht selten bundesweit ausgestrahlt werden) eigentlich gezeigt und gesagt? Dann wird es dramatisch.

Beispiel: Unfall auf der A1. Bild: Autobahn, kaputte Autos,. Polizei, Rettungswagen, im schlimmsten Fall ein Opfer unter einer Decke.Ton: Unfall, A1, ungeklärte Ursache, 3 Verletzte, ein Toter, Vollsperrung, 20 Rettungskräfte im Einsatz, 10 km Stau.

Was genau wird mir denn über das Wesen des Zwischenfalls erzählt? Was ist denn die Information? Streng genommen hat das überhaupt keinen Informationswert, sondern nur einen Unterhaltungswert. Wen interessiert es denn wirklich in Bayern, wenn in NRW auf der Autobahn 10 km Stau sind? Wen interessiert denn den Toten zu sehen und die Verletzten?

80,0000,000 Menschen in Deutschland werden weder ein Opfer noch den „Täter“ kennen, etwas weniger Menschen werden den Abschnitt der A1 kennen. Etwas weniger Menschen waren überhaupt schon mal in NRW. Die Familie und Freunde der Opfer und des Täters, ja, die interessiert es. Die erfahren es aber hoffentlich nicht aus den Nachrichten. Aber sonst? Was ist die Message dahinter? Was wird mir über das Wesen der Sache gesagt? Nichts. Und Morgen? Morgen rollen wieder die PKW an der Stelle vorbei und in den Nachrichten wird nie wieder davon berichtet.

Niemanden interessiert es mehr. Das ist keine relevante Information, höchstens hat es einen (negativen) Unterhaltungswert. Etwas gelernt habe ich daraus nicht. Wie kann dieser Unfall zu einer Meinungsbildung beitragen? Kann der Bericht dafür sorgen, dass ich mitreden kann? Habe ich einen Mehrwert durch diese „Information“.

Nein. Habe ich nicht.

Genauso wenig Mehrwert habe ich von den Fröschen, die den ganzen Tag jammern, aber selbst nichts an der Situation oder ihrer Einstellung ändern. Ich kann ihnen ja nichts an Mehrwert geben, denn sie sind auf einer ganz anderen Strasse unterwegs, leben in ihrer Welt, aus der sie nicht heraus wollen. Aber genau diese Menschen sind es, mit den ich täglich zusammenarbeiten muss, die mir täglich zeigen, wie schlecht es ihnen geht, die mir Sorgen und Probleme herantragen, die nicht meine sind. Wenn ich nun mit diesen Menschen ständig länger zusammen bin und ihnen zuhöre, dann sorgen meine Spiegelneuronen dafür, dass ich mich langsam in diese Richtung ändere. Der automatisierte Prozess der Imitation sogt ganz alleine dafür. Genau das, was schon passiert ist.

So merkte ich in den letzten Wochen, heute dann ganz extrem, dass mich dies immer mehr herunter zog; merkte, dass ich es immer schwerer ertragen konnte mit solchen „Bewohnern“ in einem Raum zu sein. Denn das bringt mich nicht voran. Diese Menschen behindern mich sogar, weil ich mich – aktiv oder passiv – mit ihnen auseinander setze und darüber nachdenke. Eigentlich interessiert es mich aber nicht. Ich möchte vorankommen. Damit meine ich menschliches Vorankommen und mich entwickeln, besser werden und was Positives aussenden.

Das ist natürlich sehr egoistisch. Das ist so gar nicht tolerant und empathisch. Nein. Ist es nicht. Diese Frösche wollen ja gar keine Hilfe oder Hilfestellungen. Die „Bewohner“ wollen einfach nur reden, sie brauchen Anerkennung und Mitleid, sie wollen es sich von der Seele reden und es geht ihnen besser, wenn sie das getan haben. Sie suchen die Zustimmung.

DAS ist egoistisch.

Sie verteilen Ihr vermeintliches Leid auf andere, die sich dann schlechter fühlen oder sich genötigt sehen aktiv zu helfen, was die Frösche ja nicht wollen. Sie wollen jammern und die Welt kritisieren, aber sie wollen an sich selbst nichts ändern. Vera F. Birkenbihl sagte dazu: Jeder Mensch hat das Potenzial, sich optimal zu entwickeln, doch sind viele durch ihre Erziehung falsch programmiert. Ist unsere Welt per Programm schlimm, dann wurden wir zum Opfer erzogen und fühlen uns dieser Welt (oder so manchen unserer „bösen“ Mitmenschen) hilflos ausgeliefert. Wenn wir aber Verantwortung übernehmen, dann gewinnen wir Macht.

Damit ist Schluss bei mir. Ich möchte mich verändern. Ich möchte wieder positiv durchs Leben gehen, mit einer offenen und voranbringenden Lebenseinstellung. Ich werde diese Verantwortung übernehmen.

„What goes around – comes around“ wie der Engländer sagt (Wie man in den Wald hineinruft…). Meine Spiegelneuronen sollen positive Impulse bekommen. Meine Spiegelneuronen sollen dafür sorgen, dass ich mich als Mensch, als Trainer und „Redner“ verändern und weiterentwickeln kann.
Ich möchte erfolgreich sein. Nicht in Form von Geld, nicht für den Bentley oder das Haus. Ich möchte  mich selbst, für mich selbst, durch mich selbst verbessern und ich bin überzeugt, dass sich dadurch auch mein Umfeld verbessern kann.

Das ist egoistisch, sogar sehr. Aber es ist mein Leben und ich habe nur das eine Leben und so wie die Frösche sich herausnehmen andere nur anzujammern, so nehme ich mir heraus, dies Spiel nicht mitzuspielen und ab jetzt öfter den Satz zu nutzen: „Ich stehe für dieses Gespräch nicht zur Verfügung.“
Heute beginnt der Rest meines Lebens.

[tl;dr]

Was ich Euch eigentlich damit sagen möchte: Ich werde in der nächsten Zeit eine „Kreisbereinigung“ durchführen. Ich werde sorgsam prüfen, wer was sagt und postet, mit welcher Aussage dahinter. Und vielleicht werde ich mich von einigen Menschen trennen.
Deswegen schätze ich Euch nicht minder oder werte Euch persönlich ab. Aber ich möchte weiterkommen und da können einige mich nicht begleiten, weil wir unterschiedliche Richtungen einschlagen. Das meine ganz ehrlich und in keiner Weise negativ. Diese Menschen sind eben anders, aber deswegen nicht schlechter. 
Wir gehen alle unseren Weg, manchmal trennen sich Wege und manchmal kommen sie wieder zusammen. Meine ausführlichen Gedanken dazu zeigen ja schon, dass es mir nicht leicht fällt und damit gebe ich auch eine Wertschätzung mit dem Statement und durch das Statement ab.

Trennung verringert mittelmäßige Leidenschaften und vergrößert starke, wie der Wind Kerzen auslöscht und Glut entfacht.
François VI. Duc de La Rochefoucauld